Am 14 August wurde Matthias aus Essen mit dem Krankenwagen in die Reha Klinik verlegt. Die Fahrt dorthin war wieder mit Komplikationen verbunden. Anna und ich sind ein bisschen später aus Essen losgefahren, weil wir noch seine Sachen zusammen gepackt haben.
Auf der Autobahn haben wir dann einen Krankenwagen mit Blaulicht am Straßenrand stehend gesehen. Da war gleich der Gedanke da, es ist etwas mit Matthias passiert. Aber ein kurzes Telefonat mit der Verlobten, die mit im Krankenwagen gefahren war, hat alles geklärt. Matthias ist von der Autofahrt schlecht geworden, weil er im Liegen transportiert wurde. Er musste sich übergeben, deshalb der Halt.
In der REHA ist er auf der Intensivstation gelandet. Da waren wir recht überrascht, wieso dort? Er war schon weiter, und wir haben gedacht, dass er gleich am nächsten Tag mit der Therapie anfangen könnte. Es hat aber zwei noch Tage gedauert, in welchen er aufs Neue untersucht wurde.
Nach diesen zwei Tagen saß er schon wieder in dem riesigen Tekla Rollstuhl.
Und am nächsten Morgen gab´s schon den ersten Ärger. Als Michael mit seiner Freundin noch vor uns in der REHA eintrafen, haben sie Matthias im Speiseraum gefunden. Er saß alleine in dem großen Rollstuhl mit einer Tischvorrichtung vor dem normalen Tisch. Sein Frühstück war noch ganz auf dem richtigen Tisch. Aus diesen einfachem Grund konnte er nicht über seine Tischvorrichtung zu dem Essen greifen, das war einfach unmöglich. Er hatte 2 Scheiben Brot, ein gekochtes Ei, Wurst und Butter in der Folie. Da hat Michael eine Schwester gefragt, wie er das bitte essen soll? Erstens, er konnte das Essen nicht erreichen und zweitens, wie hätte er selbst z.B. das Ei pellen sollen, nicht zu sprechen vom Brot schmieren. Dass die Schwester nach der Frage so richtig beleidigt war, haben wir noch ziemlich lange gespürt. Und für uns hieß es, schon wieder beim Frühstück zu sein und Matthias helfen, selbständig essen zu lernen.
In den ersten Tagen wussten wir nicht so richtig, wo wir uns einsetzen sollten. Also haben wir versucht, Matthias das Entleeren des Darmes beizubringen. Gleich nach dem Frühstück haben wir, also Anna und ich, ihn auf den Pott gesetzt und ihm erklärt, dass er jetzt den Bauch pressen muss. Das hat aber nicht viel gebracht, weil er noch nicht viel verstehen konnte. Also habe ich mit einer Bauchmassage auf dem Klo angefangen. Massiert, gedrückt, noch mal massiert. Und dann hat´s geklappt. Den Popo mussten wir auch selber sauber machen, er konnte es einfach nicht. Aber das war wieder ein Schritt in die richtige Richtung - die Selbständigkeit.
Diese Geschichte mussten wir mehrmals wiederholen, so ähnlich wie bei kleinen Kindern. Jeden Morgen haben wir immer geübt und auf einmal hat´s geklappt, dass er selbständig pressen konnte. Nach paar Wochen konnte er schon alleine sein Geschäft erledigen.
Außer meinen Behandlungen und Massagen haben wir auch angefangen, Matthias kurz auf die Beine zu stellen. Natürlich mit Absicherung von beiden Seiten. Zuerst nur für eine Minute, danach ein paar Minuten. Das war eine sehr schwere Übung für ihn, und ich habe dabei ständig beobachtet, ob die Beine das noch aushalten. Das Wichtigste war aber, dass er das selber wollte.
Wir haben noch eine weitere Sache bei Matthias beobachtet, die uns damals problematisch erschien. Obwohl er den Notschalter direkt am Bett hatte, benutzte er ihn nie. Wir haben mit ihm mehrmals probiert, diesen zu nutzen, ihm erklärt, dass es notwendig ist, da er auf keine andere Weise auf sich aufmerksam hätte machen können. Aber aus irgendeinem Grund hat das nicht geklappt. Er hat den Schwesternruf einfach nie benutzt, und wir haben bis heute nicht herausgefunden warum.
Die Therapien haben auch langsam ihren Lauf genommen, so dass ich mich an seine Termine halten musste. Da er aber sehr schnell müde wurde, habe ich mit dem Oberarzt eine Verabredung gemacht, dass Matti seine Mittagspause für meine Behandlung nutzt oder nur ein Mittagsschläfchen hält. Bei meinen Behandlungen schlief er immer ein, das ist bis heute so geblieben.
Er hatte Physiotherapie, Ergotherapie, Musiktherapie, verschiedene Gruppentherapien, und Massagen bekommen.
Bei der ersten Musiktherapie durfte Matthias auf unterschiedlichen Trommeln seinen ganzen Frust und seine Wut abladen. Er tat das so stark mit der einen Hand, und was damit verbunden ist, auch laut, dass ich Angst hatte, ob die Trommeln das aushalten. Das Trommeln war im ganzen Haus zu hören. Aber nachher sah er viel entspannter aus.
Bei den meisten Therapien durfte ich dabei sein. Mattias fühlte sich sicherer und für mich war das wie eine Schule. Ich wusste, dass was ich jetzt abschauen kann, ich nach der Reha zu Hause werde nutzen können. Ich kann wirklich sagen, ich habe die ganze Reha mitgemacht.
Die Tage waren fast immer gleich. Morgens zur Reha, zwischendurch Behandlungen und Massagen, und abends war Zeit für die Verlobte und Freunde, oder auch die Familie beider Seiten.
Wir haben Matthias ständig beobachtet. Was konnte er schon wieder? Was hätten wir ihm beibringen können? Leider war es nicht sehr erfreulich. Er konnte sehr wenig, die Sprache war immer noch weg, nicht einmal Farben konnte er erkennen.
Nach ein paar Tagen hat Matthias einen normalen Rollstuhl bekommen. Wir alle waren überglücklich. Das waren ganz kleine Schritte, aber ich war für jeden auch so kleinen Schritt sehr dankbar. Zuerst haben wir Matti gefahren, aber eines Tages, als wir kamen hat uns Matti gezeigt, dass er schon alleine fahren kann. Er war sooo stolz, wir natürlich auch. Ein Pfleger hat ihm beigebracht, wie er mit einem Fuß und mit einer Hand den Rollstuhl steuern kann. Innerhalb von ein paar Tagen konnte er gut, und vor allem besonders schnell fahren, sodass er den Spitznamen „Schumi“ von den Pflegern und Krankenschwestern bekommen hat. (lieber Michael, sei uns nicht böse) Leider fuhr er ohne Rücksicht auf sich und Andere. Er konnte einfach nicht abschätzen, ob es noch passt oder er jemanden oder etwas umfahren wird. Also mussten wir ständig bei der Fahrerei auf ihn aufpassen, damit er keinen Unfall baut.
Am einem der ersten Sonntage in der Reha hat sich seine Oma entschieden, zum ersten Mal Matthias zu besuchen. Vorher habe ich ihr ans Herz gelegt, dass sie nicht bei Matthias Anwesenheit weinen sollte. Das hat sie uns zugesagt. Als wir morgens zur REHA kamen hat uns Matthias auf dem Flur auf seinem Rollstuhl begrüßt. Er wollte der Oma zeigen, dass er schon alleine Rollstuhl fahren kann, ohne jegliche Hilfe. Als meine Mutter ihn in dem Rollstuhl sah, bekam sie so eine heftige Weinattacke, dass zwei Krankenschwestern zugelaufen waren, um nachzufragen, was los ist. Sie hat sich auf einen Stuhl im Flur gesetzt, die Handtasche auf den Knien. Sie hat Matthias nicht umarmt, ihn begrüßt oder ähnliches. Nur geweint.
Und ich habe nur Matthias immer größer werdende Augen gesehen, seine Enttäuschung und den Gedanken gespürt: „alle haben mich belogen- ich werde nie gesund, wenn die Oma so weinen muss“.
Dann habe ich die Oma gleich nach Hause geschickt und Matthias in sein Zimmer, um eine Behandlung zu machen. Ich hatte das Gefühl, dass Matti den „Zwischenfall“ nur sehr schwer verkraftet. Anstatt sich zu freuen, dass er das Unmögliche geschafft hat,sprich den Unfall überlebt hat, bekam er von Oma nur Trauer und Mitleid. Dabei er wollte so gerne zeigen, dass er sich schon ganz alleine im Rollstuhl fortbewegen kann.
Nach einer Woche wollte meine Mutter noch mal versuchen Matti zu besuchen. Sie hat versprochen, sich im Griff zu halten. Na ja. Wir sind dann alle drei zur REHA gefahren. Und diesmal hat es geklappt. Sie hat endlich Matthias begrüßt, ihn umarmt. Wir haben Scherze gemacht, ein bisschen von zu Hause erzählt. Später ist auch die Verlobte mit ihren Eltern gekommen und wir wurden von der Oma in die Cafeteria eingeladen. Da es draußen richtig warm war, haben fast alle ein Eis bestellt, Matti auch.
Als er das Eis bekam, fing er an, auf das Eis zu pusten. Etwas war in seinem Kopf geblieben, die Erinnerung, dass man, wie bei einer heißen Suppe, pusten muss, um diese abzukühlen. Und das gleiche hat er bei dem Eis gemacht. Alle haben gelacht, aber für uns war das ein Zeichen, dass seine Sinneseindrücke teilweise gelöscht waren; er konnte nicht wahrnehmen, was heiß und was kalt ist, oder sich an das richtige „Verhalten“ bei so einfachen Dingen erinnern und deshalb nicht richtig reagieren.
Wenn schönes Wetter es uns erlaubte, nach draußen zu gehen, sind wir mit dem Rollstuhl rausgefahren. Einfach spazieren, manchmal mit einer Pause in der schönen Anlage der Reha. Dann haben wir seine linke Hand geübt, also Werfen und Fangen, mit allem, was wir in die Hände kriegten. Mal waren das Tannenzapfen, Steine oder nur ein gefaltetes Blatt Papier. Am Anfang ging das gar nicht, aber nach ein paar Tagen hat er begriffen, worum es geht und es wurde immer besser.
Am 25 August ist er seine ersten 8 Meter mit einer Physiotherapeutin gegangen. Danach hat er so ausgesehen, wie ein normaler Mensch nach einem Marathonlauf. Aber er hat es geschafft, nur mit einem Stab selbständig seine ersten Schritte nach der "Neugeburt" zu meistern. Dazu noch seine erste Worte gelernt: „ti amo“ für die Verlobte und „ja“, die auch mehrmals wiederholt.
Am nächsten Tag hat er schon fast 20 m geschafft, davon 10 m alleine nur mit dem Stock.
Einmal haben wir das Schachspiel mitgebracht, weil Matthias sehr gut Schach spielen konnte. Wir wollten wissen, ob da noch etwas davon geblieben ist. Michael, sein älterer Bruder wollte mit ihm spielen, mit der Hoffnung, endlich mit Matti zu gewinnen.
Am Anfang wurden die Figuren aufgestellt, und Michael wollte Matthias die Grundzüge der Figuren kurz erklären. Dabei fing Matti an zu gähnen, so dass Michael dachte es sei zu Anstrengend für Matti zu spielen. Es war eher das Gegenteil, Matti war gelangweilt, da er sich an die Spielzüge erinnern konnte.
Matthias hat das Spiel angefangen, aber irgendwie klappte das nicht so richtig. Der Michael hat sich schon so gefreut, endlich mit Matti zu gewinnen. Er sagte, noch 2 Zuge und ich hab Schach-Mat. Aber nach nur einem Zug zeigte uns Matthias, dass er gewonnen hat. Er hat eine sehr raffinierte Falle seinem Bruder gestellt und keiner von den Zuschauern etwas gemerkt hat.
Schließlich gewann er das Spiel sogar, und hat sich so gefreut, dass beim Lachen endlich Töne aus seiner Kehle zu hören waren.
Er hatte richtig Spaß. Aber das war nur einmal, nachher musste er fast von vorne lernen.
Am 1 September hat der Physiotherapeut schon angefangen, auf der Treppe zu üben. Matthias hat 1 Stockwerk hoch und runter geschafft.
Nächsten Tag hatte Matti eine schwere Krise. Wir wissen bis heute nicht, was die hervorgerufen hatte. Er hat die Sprachtherapie nach 15 Minuten abgebrochen und ist weinend alleine ins Zimmer abgehauen. Nachher hat sich im Badezimmer verschlossen. Ich brauche ziemlich lange um ihn zu beruhigen und für die noch bevorstehenden Therapien zu überzeugen. In der Mittagspause habe ich wie immer eine Reiki Behandlung gemacht und danach ging wieder mit den Therapien. Das Gehen klappte aber auch nicht so richtig, so dass ich die ganze Zeit ihn motivieren musste.
Ungefähr nach einem Monat in der REHA hat uns die Sprachtherapeutin eingeladen. Sie hat uns gesagt, dass die Sprachtherapie abgebrochen wird, weil Matthias kein Ton vor sich rausgeben wird.
"Er wird nie sprechen können und das Kurzzeitgedächtnis funktionier auch nicht. Also wir sollen uns damit abfinden, es ist so und da kann man nichts daran ändern“.
Da haben wir gebetet und gejammert, um die Sprachtherapie noch wenigstens unter Vorbehalt um einen Monat zu verlängern. Am nächsten Tag wollte die Therapeutin uns beweisen, dass Matthias nichts kann und hat uns zu einer Sprachtherapie eingeladen. Und gerade an dem Tag hatte Matthias alles richtig gemacht, ob er von jemandem geführt wurde. Anna war erstaunt und die Therapeutin platt. Nachher haben wir mit ihm täglich zusätzlich geübt. Und das waren wir, die den ersten Ton von ihm gehört haben, und nicht die Therapeuten. Nachher liefen die Sprachtherapien fast ohne Probleme weiter.
Die Ch. hat uns weiter in unserer Arbeit unterstützt. Ein paar Mal war sie sonntags in die REHA gekommen und wir haben eine Doppelbehandlung gemacht. Wir konnten nur eine halbe Stunde die Behandlung zu zweit durchführen. Nachher waren wir beide so kaputt, dass wir nur nach draußen wollten. Matthias hat sehr tief geschlafen, noch nach 1,5 Stunden, als ich zurückkam, hat weiter gepennt.
Als Matthias noch im Koma lag hat mich sein Cousin aus London angerufen und gefragt, ob er Matti besuchen könne. Ich habe ihn gefragt, warum jetzt, da er doch im Koma liegt. Und dann kam für mich eine sehr überraschende Antwort:
„Ich will mich von Matthias verabschieden“.
„Wieso? Er lebt noch und ich und alle tun ihr Bestes, damit er überlebt. Du kannst ihn besuchen, wenn er in die REHA kommt, dann kannst du dich mit ihm unterhalten. Wieso willst du ihn schon lebendig begraben? Er lebt doch, und so lange er lebt, muss man die Hoffnung haben und darf den Glauben nicht verlieren.“
Der Cousin hat mir wirklich schweren Herzens zugesagt, dass er später kommt.
Er kam wirklich erst dann, als Matthias schon in der REHA war und blieb 2 Tage. Das lustige war, dass er richtig Matthias testete. Wir alle waren überrascht, als er zu Matthias auf Englisch erzählte und Matthias uns zeigte, dass er das verstanden hat. Ob das stimmte, wissen wir aber nicht, weil es ist so oft passiert, das Matti uns etwas zeigte und was anderes meinte.
Mattias bei der Maltherapie mit seinem noch nicht fertigen Delfinaquarell.
Matthias bei der Hipptherapie auf seinem Lieblingspferd.
Am 30 September wurde Matthias zurück nach Essen verlegt, um den fehlenden Schädeldeckel wieder zu reimplantieren.
Im Mai hatte ich schon das jährliche Kongress des DGH gebucht, das immer am ersten Wochenende im Oktober stattfindet. Irgendwie hatte ich wieder komisches Gefühl. Anna sagte, dass ich dahin fahren sollte, jetzt passen die Ärzte schon gut auf, damit nicht schlechtes passiert. Die Unruhe war aber doch zu groß. Ich bin zu Hause geblieben, die Kongressgebühren waren pfusch, na ja- Matti ist wichtiger. Ich konnte noch die Hotelreservierung wiederrufen, so dass mir keine weiteren Kosten entstanden.
Zuerst wurde wie üblich eine neue Kopf CT angefertigt.
"CT: Schädel nativ vom 30.09.2008:
"Vergleich zur Voruntersuchung vom 16.07.2008.
Befund und Beurteilung:
1. Defekte nach bekanntem Anteriorteilinfarkt und komplettem Mediainfarkt links mit Beteiligung der STG. Ein Hirnödem ist nicht mehr nachweisbar.
2. Weiterhin ausgeprägte Hernierung des Hirnparenchyms über den Kraniotomiedefekt nach Entlastungskraniotomie.
3. Deutliche Erweiterung , bzw. Ballonierung aller Ventrikel, mit Betonung des linken Seitenventrikels
4. Kein Ergussnachweis. Keine akute Blutung.
5. EVD links frontal entfernt."
Es wurden auch noch mal die Lungen geröntgt, wo alles in Ordnung war.
Dann kam die Reimplantation OP.
Aus dem OP Bericht vom 01.10.2008:
"Deckelreimplantation
Operationsindikation:
Der Patient hatte nach einem HNo-ärztlichen Eingriff eine Verletzung der A. carotis auf der linken Seite erlitten, die nun mit einem Verschluss der A. carotis behandelt werden konnte. Zum damaligen Zeitpunkt war bei massivem Mediainfarkt eine Kraniektomie erfolgt. Der Patient habe sich insgesamt von dieser sehr schweren Erkrankung deutlich erholt, so dass jetzt die Reimplantation des Knochendeckels anstand. Nach ausführlicher Aufklärung über Möglichkeiten und Risiken des Eingriffes wurde die Indikation zur Operation gestellt.
Operation:
Rückenlagerung des Patienten mit nach Rechtsdrehen des Kopfes und Einspannen in die Mayfield- Halterung. Sterilles Abdecken des ehemaligen Hautschnittes nach Rasur und Wiedereröffnen des alten Hautschnittes und Darstellen der Knochenränder. Es zeigt sich jetzt, dass die Dura deutlich vorgewölbt ist. Eine vormalige Anlage einer Lumbaldrainage hat nicht wesentlich zum Einsinken der Dura beigetragen. Daher Eröffnen der Dura und Punktion des E-vacuo-Defektes nach Infarkt, so dass das Duraniveau nun deutlich einsinkt.
Verschließen des Duradefektes und Einbringen des Knochendeckels, der mittels drei Miniplättchen fixiert wird. Nach ausführlicher Blutstillung erfolgen daraufhin der schichtweise Wundverschluss sowie die Einlage einer Redondrainage ohne Sog. Steriler Druckverband."
Wir sind in Essen erst nach der Operation angekommen, weil wieder einen riesen Stau auf der A 40 war. Matthias lag schon in seinem Bett, nur leider konnte er den Kopf nicht anheben, der Kopf war wie gelähmt und das Gesicht rot angelaufen. Wir haben natürlich gleich einen Arzt gesucht, um eine Erklärung zu bekommen. Ein Assistenzarzt hat uns dann über die Punktion, eigentlich 2, erzählt und das die zu viel von dem Hirnwasser abgelassen haben. Die erste war vor der OP, aus dem Rückenmark, die zweite schon während der OP, direkt über die Dura (Hirnhaut). Bei der zweiten wurde angeblich zu viel Hirnflüssigkeit abgelassen, deswegen diese kleine Lähmung.
Dann wusste ich, warum ich nicht zu dem Kongress fahren sollte. Es gab wieder Arbeit. Wir waren bis zum Abend geblieben- ich habe ihn mehrmals behandelt. Nach Hause sind wir dann mit gemischten Gefühlen gefahren, da Matti den Kopf nicht anheben konnte. Na ja, mein Optimismus und Vertrauen war größer als die Angst von Anna. Ich habe sie zu Hause ein Bisschen beruhigt und weiter Matthias fernbehandelt.
Als wir am nächsten Morgen in die Klinik kamen sah er schon viel besser aus.
Zuerst wurde noch eine Kopf CT angefertigt, um sein Zustand zu beurteilen.
CT: Schädel nativ vom 02.10.2008:
"Zum Vergleich liegt eine Voruntersuchung vom 30.09.2008 vor.
Befund:
Nach Knochendeckel Reimplantation liegt dieser regelrecht ein.
Ausgeprägte epi- / sub- durale Flüssigkeit und Lufteinschluss unter dem Knochendeckel (28 mm breit) mit erheblichen Raumforderungszeichen. Das zuvor deutlich dilatierte Ventrikelsystem ist nun wesentlich schlanker, der linke Seitenventrikel deutlich komprimert. Geringe Mittellinienverlagerung nach rechts (8 mm). Bekannte Defekte nach Anteriorteilinfarkt und kompletter Mediainfarkt links mit Beteiligung der Stammganglien. Kein Nachweis einer akuten Blutung.
Beurteilung:
1. Nach Reimplantation des Knochendeckels jetzt raumfordernder epiduraler Flüssigkeitsverhalt mit zusätzlichem Lufteinschluss links frontotemporal.
2. Kompression des linken Seitenventrikels und geringe Mittelinienverlagerung bei insgesamt deutlich schlankerem Ventrikelsystem.
3. Keine akute Blutung."
Am 8. 10.2008 sollte Matthias zurück in die REHA entlassen werden. Zuerst war die Standard Prozedur- noch eine Kopf CT. Die Ergebnisse waren nicht so gut ausgefallen, aber er durfte in die REHA verlegt werden.
CT Schädel nativ vom 08.10.2008:
"CT-Schädel Voruntersuchung vom 02.1 0.2008
"CT-Schädel Voruntersuchung vom 02.1 0.2008
Befund:
Im Vergleich zur Voruntersuchung vom 02.10.2008 nun Erweiterung aller vier Ventrikel, der linke Seitenventrikel kommt etwas ballonierter zur Darstellung als der rechte. Geringer ausgeprägtes extraaxiales Resthämatom links frontotemporal mit deutlich geringerer Mittellinienverlagerung nach rechts. Der vorbestehende Lufteinschluß unter dem Knochendeckel ist mit einer Breite von maximal ca. 7 mm deutlich kleiner. Im Kalottenniveau liegender Knochendeckel wie vor. Bekannte Defekte nach Anteriorteilinfarkt und komplettem Mediainfarkt links. Kein Nachweis einer akuten intracraniellen Einblutung. Über dem Knochendeckel deutliche Weichteilschwellung mit subcutanem Hämatom und subcutanem Lufteinschlüssen.
Beurteilung:
1. Erneut deutliche Erweiterung, bzw. Ballonierung aller Ventrikel, mit
Betonung des linken Seitenventrikels, DD akute Liquorzirkulationsstörung.
2. Extraaxiales Resthämatom links forntotemporal, rückläufige Mittellinienverlagerung.
3. Keine akut intracranielle Einblutung,
4. Alte lnfarktareale im Anterior- und Mediastromgebiet links, Defekt rechts frontal.
5. Deutliche Weichteilschwellung mit Hämatom und Lufteinschlüssen subtan über dem weiterhin im Kalottenniveau liegenden Knochendeckel"
So gegen 10 Uhr wurde Matthias aus der Uni Klinik in Essen entlassen und mit einem Krankentransport zurück in die REHA Gebracht.
Entlassungsbericht 08.10.2008
"Sehr geehrter Herr Professor ...............,
wir berichten Ihnen über den stationären Aufenthalt des o.g. Patienten.
Die ausführliche Krankengeschichte dürfen wir freundlicherweise als Ihnen bekannt voraussetzen.
Anamnese: Wir übernahmen Herrn Miemczyk nun aus Ihrer Rehabilitationsklinik zur Knochendeckelreimplantation. Im Rahmen der Rehabilitation habe der Patient, nach Aussagen der Angehörigen, deutliche Fortschritte gemacht und kann mit Hilfe und mittels Spezialschuh auch wieder laufen. Teils beklagt der Patient jedoch noch Kopfschmerzen, insbesondere dann, wenn die Trepanation gespannt sei. Übelkeit, Erbrechen oder ein etwaiges Krampfgeschehen werden jedoch ebenso verneint wie Sehstörungen.
Untersuchungsbefund: Wacher, ansprechbarer Patient. Motorisch aphasisch. Spastische Hemiparese rechts, armbetont. Sensorisch Hypästhesie der rechten oberen Extremitäten. Im Hirnnervenstatus Pupillen isokor, mittelweit bis weit, beidseits lichtreagibel. Facialismundastschwäche rechts. Die Wundverhältnisse sind reizlos. Die Trepanation ist weich und unter Niveau eingefallen.
Verlauf / Procedere: Das CCT aus August 2008 zeigt nun, im Vergleich zu den Voraufnahmen, eine zunehmende Ventrikelweite, jedoch ohne Zeichen einer Liquordiapedese und damit am ehesten als E-vacuo-Phänomen einzustufen.
Wir aktualisierten nach der Aufnahme in unserer Klinik nochmals die CT-Diagnostik, wobei sich hier, im Vergleich zu den Voraufnahmen, keine neuen Aspekten zeigten. Weiterhin fanden sich keine Liquorabpresszeichen. Vor diesem Hintergrund stellten wir zunächst die Indikation zur Knochendeckelreimplantation ohne gleichzeitige Implantation eines VP-Shunts. Die Familie sowie auch der Patient und die gesetzliche Betreuerin wurden ausführlich über die Umstände des Eingriffes aufgeklärt. Eine entsprechende Einwilligung wurde eingeholt.
Am 01.10.2008 erfolgte dann in Intubationsnarkose die komplikationslose Knochendeckelreimplantation. Zuvor wurde ebenfalls in Narkose eine Lumbaldrainage zwecks Liquordrainage angelegt.
Postoperativ wurde der Patient zunächst auf dem Überwachungszimmer unserer Normalstation weiterbetreut, er konnte aber am Folgetag auf das Normalzimmer zurückverlegt werden.
Neurologisch kam es postoperativ zu keinem neuen Defizit. Weiterhin war Herr Miemczyk bei bekannter motorischer Aphasie wach und ansprechbar. Das postoperativ durchgeführte Schädel-CT ergab jedoch den Nachweis eines deutlichen subduralen Ergusses unter dem Knochendeckel. Auf Grund des klinischen Zustandes verzichteten wir jedoch auf einen erneuten chirurgischen Eingriff. Im Verlauf des weiteren stationären Aufenthaltes konnte zunächst die externe Ventrikeldrainage gezogen werden und Herr Miemczyk dann schließlich wieder mobilisiert werden. Hierbei ergaben sich keine Besonderheiten.
Das Verlaufs-CT vom 08.10.2008 ergab einen rückläufigen subduralen Erguss, so dass wir weiterhin ein abwartendes Procedere empfehlen und den Patienten, nach telefonischer Rücksprache mit Ihnen, am 08.10.2008 zur weiteren Rehabilitation in Ihre Klinik zurückverlegen. Wir empfehlen hier nochmals im Abstand von einer Woche die CT-Verlaufskontrolle, wobei wir dann gerne die Bilder auch mitbeurteilen würden.
Die Wundverhältnissen waren bei der Entlassung reizlos. Wir bitten um Entfernung des cutanen Nahtmaterials am 14.10.2008. Sollten Ihrerseits noch Fragen oder Unklarheiten bestehen, können Sie sich selbstverständlich jederzeit gerne an uns wenden. Bis dahin verbleiben wir
mit freundlichen kollegialen Grüßen"
Hier muss ich, als Laie, eine Frage an die Ärzte stellen.
Wie konnte es sein, dass "ein deutlicher subduraler Erguss" ohne Behandlung gelassen wurde?
War Matthias "Zustand" so schlecht, dass die Ärzte Angst hatten, ihn nochmals zu operieren?
Jeder Arzt muss es wissen, dass so ein Erguss zum Tode führen könnte.
Oder wollten die Ärzte der Uniklinikum Essen mich nur testen?
Der Erguss ist nachher verschwunden, was wäre aber, wenn das nicht der Fall wäre?
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